Sezessionskrieg: Die bedingungslose Kapitulation nach Ulysses S. Grant - WELT (2024)

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Als sich der Austritt von elf sklavenhaltenden Bundesstaaten aus den USA 1860/61 zum Bürgerkrieg weitete, verbanden diese ihr Schicksal mit einem cleveren Plan. Da es US-Präsident Abraham Lincoln war, der die abtrünnigen Südstaaten in der Union halten wollte, musste diese in die Offensive gehen. Das ermöglichte es den neugegründeten Konföderierten Staaten, den Vorteil der inneren Linie zu nutzen, in einem Raum von der Größe halb Europas. Das aber würde die zahlenmäßige und wirtschaftliche Überlegenheit des Nordens mehr als ausgleichen, so das Kalkül.

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Auf dem Kriegsschauplatz östlich der Appalachen machte sich diese Strategie umgehend bezahlt. Bei ihren Versuchen, die Bundeshauptstadt Washington durch Vorstöße Richtung der konföderierten Hauptstadt Richmond in Virginia zu sichern, hatten Unionsarmeen mehrere schwere Niederlagen erlitten. Zwischen Appalachen und Mississippi hielten sich dagegen die Unionstruppen weitgehend zurück, fehlte ihren Generälen doch die Fantasie für eine erfolgreiche Offensive in den Weiten des Mittleren Westens.

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Das änderte sich im Februar 1862, als ein bis dahin unbekannter Brigadegeneral einen beinahe tollkühn erscheinenden Plan entwickelte. Ulysses S. Grant, der vor dem Krieg vor allem wegen Alkoholproblemen im Dienst auf sich aufmerksam gemacht und deswegen die Army verlassen hatte, erkannte die Bedeutung der Flüsse zwischen dem konföderierten Bundesstaat Tennessee und Kentucky, das zwar zur Union hielt, als Sklavenstaat aber erhebliche Sympathien für den Süden zeigte.

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Nach Kriegsbeginn war die Konföderation umgehend darangegangen, den Mississippi mit schwer bewaffneten Forts zu blockieren, um direkte Einfälle in den Süden zu verhindern. Dem Ohio, der von Cairo durch Tennessee und Alabama floss, wurde dagegen weniger Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl sein mächtiger Nebenfluss Cumberland direkt nach Nashville führte. Die Stadt war nicht nur die Hauptstadt Tennessees, sondern auch Zentrum der Schießpulverproduktion, während in Clarksville am Cumberland eines der wichtigsten Eisenwerke des Südens lag.

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Mit dampfgetriebenen Kanonenbooten, die mit Eisenpanzern verkleidet waren und nach ihrem Konstrukteur „Pook’s turtles“ genannt wurden, verfügte der Norden inzwischen über Fahrzeuge, um die embryonalen Forts, die der Süden an diesen Flüssen errichtet hatte, vom Wasser aus zu attackieren. Und mit Andrew H. Foote über einen Marineoffizier, der bereit war, diese neuen Waffen auf den Hochwasser führenden Gewässern einzusetzen. Wichtiger noch war seine Bereitschaft, mit Grant zusammenzuarbeiten, wobei er als Abstinenzler dessen sporadischen Hang zum Whisky geflissentlich übersah.

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Anfang Februar machte sich Grant von Cairo aus mit 15.000 Mann auf den Weg nach Fort Henry, das rund 100 Meilen südwestlich der Mündung des Tennessee lag. Auf einem niedrigen Hochufer errichtet, von umgebenden Bergen beherrscht und durch jedes Anschwellen des Flusses von Überschwemmung bedroht, war die Stellung kein Ruhmesblatt südstaatlicher Ingenieurskunst, schreibt der amerikanische Bürgerkriegsspezialist James M. McPherson.

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Am 6. Februar standen Footes Panzerboote vor dem Fort, das nur neun Geschütze in Position hatte, während jedes „Pook’s turtle“ über ein gutes Dutzend Kanonen verfügte. Ein schweres Artillerieduell überzeugte die Südstaatler, die Stellung zu räumen, bevor sich Grants Infanteristen ihren Weg durch Sümpfe und Wasserläufe gebahnt hatten. 2500 Konföderierte verstärkten daraufhin die Garnison von Fort Donelson am Cumberland, das nur durch eine 20 Kilometer breite Landzunge von Fort Henry getrennt war. Dort wollten Foote und Grant ihren zweiten Schlag landen.

Nun aber war die Führung der Konföderierten gewarnt. Albert Sidney Johnston, Oberbefehlshaber an der Westfront, beorderte umgehend 7000 Mann nach Fort Donelson, dessen Verteidiger damit auf 12.000 aufgestockt wurden. Auch wurden die Palisaden verstärkt und zwölf schwere Geschütze in Stellung gebracht. Das reichte aus, um den Angriff, den Grant am 12. Februar von Land aus eröffnete, zurückzuschlagen.

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Auch Footes Kanonenboote, die am 14. Februar eintrafen, hatten keinen Erfolg. Die Geschütze des Südens, in einem Steilufer postiert, zerstörten die Aufbauten seiner Boote, zumal die Schornsteine, sodass sich die ramponierten „Schildkröten“ flussabwärts aus der Gefahrenzone treiben lassen mussten. Immerhin waren mit ihnen Transportschiffe eingetroffen, die Grants Truppe um 10.000 Soldaten verstärkten. Mit ihnen machte er sich daran, das Fort von der Landseite einzuschnüren. Mit einem Ausbruchsversuch der Südstaatler rechnete er nicht.

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Genau den aber planten seine Kontrahenten auf der anderen Seite. Am Morgen des 15. Februar stürmten 10.000 Südstaatler, unterstützt durch Schneegestöber, gegen die Unionslinien an und warfen sie in mehrstündigen Gefechten um eine Meile zurück. Der Belagerungsring war durchbrochen, aber die Konföderierten nutzten ihren Vorteil nicht. Gideon Pillow, der den Angriff führte, war erschüttert von den Verlusten und dem Zustand seiner Männer und stoppte den Vormarsch. Ein später Gegenangriff Grants trieb die Südstaatler in die Befestigungen Donelsons zurück.

Wie Pillow gehörte dessen Kommandant John Floyd zu den sogenannten politischen Generälen, die weniger durch ihre militärischen Fähigkeiten, sondern wegen ihrer Beziehungen zu Rang und Ehren gekommen waren. Sie übergaben dem Berufsoffizier Simon Buckner das Kommando und schlichen sich mit ihren Stäben in der Nacht durch die dünnen Linien des Nordens davon.

Blaue und graue Generäle

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Von anderem Kaliber war der Ausbruch von Nathan Bedford Forrest. Als wohlhabender Plantagenbesitzer hatte er ein eigenes Bataillon aufgestellt, das er nach seinen Regeln führte. Die standen in keinem Lehrbuch, erwiesen sich aber gerade deswegen wohl als ausgesprochen innovativ, erfand der militärische Autodidakt doch den höchst wirksamen Kampf berittener und abgesessener Kavallerie. Auf Schleichwegen evakuierte Forrest seine 700 Mann wohlbehalten aus Fort Donelson und sollte bald zu einem der gefürchtetsten Reitergeneräle des ganzen Krieges aufsteigen.

Indigniert übernahm es schließlich Buckner, mit Grant die Formalien der Übergabe auszuhandeln. Da er diesem bei dessen Ausscheiden 1854 Geld für die Heimreise geliehen hatte, setzte er wohl auf kameradschaftliches Wohlwollen. Doch die barsche Antwort Grants überzeugte ihn vom Gegenteil. Dafür schrieb der Satz Weltgeschichte: „Kann nur bedingungslose und sofortige Kapitulation akzeptieren“. Die „bedingungslose Kapitulation“ („unconditional surrender“) wurde einige Kriege später zum Vorbild für das Kriegsziel gegen Deutschland und Japan, auf das sich US-Präsident Franklin D. Roosevelt und der britische Premier Winston Churchill auf ihrer Konferenz im Januar 1943 in Casablanca verständigten.

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USA erfanden die „bedingungslose Kapitulation“

Die Eroberung von Fort Donelson öffnete dem Norden weite Teile Tennessees. Wenige Tage später musste Johnston nicht nur Nashville aufgeben, sondern auch die Festungen am Mississippi südlich von Cairo räumen. „Von allen bisherigen Feldzügen des Bürgerkrieges war dieser in strategischer Hinsicht am folgenreichsten“, urteilt James M. McPherson.

Vor allem aber beförderte er den Befehlshaber eine wichtige Stufe höher. Lincoln machte Grant zum Generalmajor und damit zu einem der maßgeblichen Kommandeure auf dem westlichen Kriegsschauplatz. Ein gutes Jahr später sollte ihm mit der Eroberung Vicksburgs der entscheidende Sieg im Westen gelingen, zwei Jahre später nahm er als Oberkommandierender des Nordens die Kapitulation der wichtigsten Südstaatenarmee entgegen. Von 1869 bis 1877 war er der 18. Präsident der Vereinigten Staaten.

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Dieser Artikel wurde erstmals im Februar 2019 veröffentlicht.

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